Bäume benötigen Wasser, um zu wachsen und sich vor Überhitzung zu schützen. Dabei spielt es keine Rolle ob ein Baum im Wald oder im eigenen Garten steht. Die genaue Menge lässt sich jedoch nur schwer bestimmen. Die entscheidenden Faktoren sind sowohl das Wetter als auch die Bodenverhältnisse im entsprechenden Waldgebiet.
Wenn Bäume ihren Durst löschen, kann man das hören. Man braucht dazu lediglich ein Stethoskop. An den Baumstamm gedrückt, überträgt es die Geräusche vom Wasserfluss in den Baumadern als stetes Rauschen. Probieren Sie es selbst einmal aus – am besten im Frühjahr oder Sommer. Zu dieser Jahreszeit saugen Buche, Eiche, Linde, Fichte und Co. besonders viel Feuchtigkeit aus dem Boden.
Die Bäume benötigen Wasser um zu wachsen – genauer gesagt, um in ihren Blättern Photosynthese zu betreiben und dadurch Energie zu gewinnen. Bäume schwitzen das Wasser jedoch auch aus. „Bäume besitzen an ihren Blättern oder Nadeln winzige Spaltöffnungen, über die Wasser verdunstet. Die Umgebungsluft erwärmt sich und kann dadurch mehr Wasserdampf aufnehmen. Die dabei entstehende Verdunstungskälte kühlt die Blattoberfläche. Das Schwitzen erfüllt aber noch einen zweiten überlebenswichtigen Zweck. Durch die Verdunstung an den Blättern kommt der Saftfluss innerhalb des Baumes überhaupt erst zustande. Ohne sie könnte der Baum weder Wasser noch Nährstoffe von der Wurzel bis in die Krone transportieren.
Viele Faktoren bestimmen den Durst des Waldes
Forscher beschäftigt sich seit mehreren Jahrzehnten mit der Frage, welche Wassermenge Wälder und individuelle Baumarten benötigen. Sie verfolgen das Stammwachstum der Bäume und notieren, wann im Jahr die Gehölze austreiben, blühen, Früchte bilden, sich verfärben oder ihr Laub abwerfen. Veränderungen in der zeitlichen Abfolge können auf Trockenstress hinweisen. Wichtig sind ausserdem Fragen zur Waldstruktur: Welche Baumarten stehen im Bestand? Wächst vielleicht eine dichte Kraut- oder Strauchschicht am Waldboden, die dem Erdreich ebenfalls Wasser entzieht? Der Wasserverbrauch von Wäldern ist keine feste Grösse, sondern hängt von vielen physikalischen und biologischen Faktoren ab, die den Wasserkreislauf eines Waldes bestimmen.
Einer dieser Faktoren ist die Blattmasse. Je mehr Blätter ein Baum besitzt, desto grösser ist seine Blattoberfläche, über die Wasser verdunstet. Eine Fichte beispielsweise benötigt an einem schönen Sommertag bis zu 3 Liter Wasser pro Quadratmeter. Auf das Jahr gerechnet sind es 350 bis 700 Liter. Eine Buche verdunstet im selben Zeitraum nur etwa 300 bis 600 Liter pro Quadratmeter. Die Differenz ist biologisch bedingt, denn Laubbäume können nur solange transpirieren, wie sie Blätter tragen – meist von April bis November. Immergrüne Nadelbäume dagegen verdunsten bei günstiger Witterung auch in Wintermonaten nicht unerhebliche Wassermengen.
Jeden Wassertropfen, der in der Krone verdunstet, müssen die Bäume durch Wasser aus dem Erdreich ersetzen. Dazu entwickelt sie in ihren Wasseradern und Feinwurzeln eine sagenhafte Saugkraft. Mit einer Zugkraft von 15 bis 20 Bar ziehen sie die Feuchtigkeit aus dem Boden. Jeder Hausstaubsauger sähe im Vergleich dazu blass aus.
Der Wasserkreislauf im Wald
Die Blattmasse eines Waldes beeinflusst auch, wie viel Regenwasser überhaupt bis zum Wurzelwerk vordringen kann. Geht ein Regenschauer über einem Waldgebiet nieder, benetzen die Tropfen nämlich zunächst die Blätter, Zweige und Äste der Baumkronen. Je dichter das Blätterdach, desto mehr Niederschlag kann es halten. Ist der Schauer nur kurz, verdunstet dieses Wasser anschliessend wieder, ohne dass es jemals den Waldboden berührt hat. Hält der Regen dagegen an, können die Kronen die Regenmenge nach einer gewissen Zeit nicht mehr tragen. Das Wasser tropft dann auf den Waldboden oder läuft in kleinen Rinnsalen den Stamm hinab. Auch am Waldboden verdunstet noch einmal ein kleiner Teil des Niederschlags. Das restliche Wasser – oft weniger als die Hälfte der ursprünglichen Niederschlagsmenge – versickert im Erdreich und füllt dort den Bodenwasserspeicher auf, aus dem sich die Bäume mit ihren Wurzeln bedienen.
Den Waldboden kann man sich wie einen Schwamm mit vielen Poren vorstellen. Abhängig von der Bodenbeschaffenheit sind die Poren dieses Schwammes unterschiedlich gross. Je feiner die Poren sind, desto stärker wird das Wasser gebunden. Doch nicht jede gibt ihr Wasser am Ende auch wieder an Pflanzen und Bäume ab. Ein gewisser Teil des Wassers, das sogenannte Totwasser, ist so fest im Boden gebunden, dass selbst die enorme Saugkraft der Bäume nicht mehr ausreicht, es herauszuziehen.
Wie entscheidend diese Bodeneigenschaften gerade in Dürrezeiten sind, zeigt ein Vergleich aus dem vergangenen Sommer: An einer Waldklimastation wachsen 150-jährige Buchen und Eichen auf einer dicken Lössschicht. Sie speichert pro Quadratmeter bis zu 240 Liter für Pflanzen verfügbares Wasser. Diese stattliche Menge reichte aus, um den Wald auch während der langen Hitzeperiode ausreichend mit Wasser zu versorgen. Die Bäume zeigten keine Stressreaktionen – auch weil vereinzelte Sommergewitter den Bodenwasserspeicher immer wieder auffüllten.
60 Kilometer weiter nördlich, sah die Situation ganz anders aus. Der hier wachsende Eichen-Buchen-Mischwald steht auf tonhaltigem Boden, welcher einen hohen Totwasseranteil aufweist und den Waldpflanzen nur 170 Liter Wasser pro Kubikmeter Erde offeriert. Dieser Wasservorrat war bereits im Juli angegriffen, Anfang August dann fast vollkommen erschöpft. Als Reaktion stellten die Bäume ihr Wachstum ein – zuerst die Eichen, später auch die Buchen.
Stress durch Wassermangel
Bäume beginnen, ihren Wasserverbrauch einzuschränken, wenn 40 Prozent des nutzbaren Bodenwasserspeichers aufgebraucht sind. Zuerst schliessen sie langsam ihre Spaltöffnungen in den Blättern und Nadeln, um die Verdunstung zu reduzieren. Reicht diese Massnahme nicht aus, beginnen Laubbäume teilweise auch, ihr Laub vorzeitig abzuwerfen. Jüngere Bäume sind dazu oft früher gezwungen als ältere, weil sie den Boden noch nicht so tief durchwurzeln.
Beide Stressreaktionen haben zur Folge, dass die Bäume keine Photosynthese mehr betreiben, denn die Aufnahme des lebenswichtigen Kohlendioxids erfolgt ebenfalls über die Spaltöffnungen der Blätter und Nadeln. Infolgedessen fehlt den Bäumen die notwendige Energie um zu wachsen oder Schädlinge abzuwehren. Wir sehen so gut wie nie, dass ein Baum im wahrsten Sinne des Wortes vertrocknet. In der Regel befallen vorher Schädlinge den geschwächten Baum und geben ihm den Rest.
Eichen, Birken, Buchen oder Linden, die aufgrund von Wassermangel ihr Laub abwerfen und damit frühzeitig die Winter- oder Vegetationsruhe antreten, treiben im nächsten Frühjahr in der Regel wieder aus. Der Trockenstress aber wirkt dennoch nach. Es lässt sich beobachten, dass diese Bäume in den Folgejahren teilweise schlechter wachsen. Das hat zwei Gründe: Zum einen fehlen ihnen die Reservestoffe. Zum anderen haben sie während der Trockenzeit wenig in ihr Wurzelwerk investieren können. Das heisst, sie müssen erst die abgestorbenen Bereiche im Feinwurzelbereich erneuern, bevor sie wieder wachsen können.
Naturwälder punkten beim Boden
Haben naturnahe Wälder einen stabileren Wasserhaushalt als Wirtschaftswälder? Eine Antwort auf diese Frage ist schwierig, weil der Wasserhaushalt von so vielen Wetter- und Standortfaktoren abhängt und man Wälder in diesem Punkt nicht mit einander vergleichen kann. Ein Faktor, bei dem Naturwälder jedoch punkten, ist die Bodenbeschaffenheit. In vollkommen unbeeinflussten Böden mit einem hohen Humusanteil leben viele Regenwürmer und andere wühlenden Organismen. Durch deren Treiben verbessert sich die Porenstruktur des Bodens und damit unter Umständen auch seine Speicherkapazität für Wasser. Böden, auf denen häufig schwere Maschinen fahren, werden komprimiert und können weniger Wasser speichern. In der Landwirtschaft sieht man dieses Phänomen häufig.