Zuerst stellt sich die Frage, was ist überhaupt Stress?
Stress ist eine Reaktion unseres Gehirns auf bestimmte Reize (Stressoren) in unserer Umwelt oder in uns selbst.
Das körpereigene Hormon Cortisol wird ausgeschüttet und blockiert zusammen mit Noradrenalin im Vorderhirn bestimmte Rezeptoren. Die sind aber für ein rationales Abwägen von Möglichkeiten, also für zielgerichtetes Entscheiden zuständig. Wir greifen unter Stress also auf im Gehirn abgespeicherte Verhaltensmuster zurück.
Das ist jetzt erstmal weder positiv, noch negativ. Relevant ist, wie wir den Stress schlussendlich interpretieren.
Daher unterscheiden wir zwei Arten von Stress:
- Eustress
- Disstress
Während Eustress als positiver Stress gesehen werden kann, handelt es sich bei Disstress um negativen Stress. Eustress macht uns fokussierter und leistungsfähiger, ohne uns dabei zu schaden. Eustress tritt zum Beispiel auf, wenn wir uns ganz auf unser Ziel beim Bogenschiessen konzentrieren und das Ziel entschlossen treffen wollen. Alles rundherum blenden wir dabei aus.
Disstress ist negativer Stress, also Reize die wir als bedrohlich, belastend oder überfordernd betrachten. Disstress löst den „fight or flight“-Reflex in uns aus, versetzt unseren Körper also in Alarmbereitschaft um fliehen oder kämpfen zu können. Adrenalin wird ausgeschüttet, der Blutzuckerspiegel erhöht um noch mehr Energie in die Muskeln zu bringen und eben die Entscheidungen im Gehirn auf das wesentliche reduziert.
Grundsätzlich ist dieser Vorgang nicht negativ. Doch hat er in gewissem Masse an Bedeutung verloren. Galt es früher noch rechtzeitig zu reagieren um dem wilden Löwen zu entkommen oder der giftigen Schlange zu entfliehen sind wir in der heutigen Zeit meist vor solchen Situationen bewahrt. In grauer Vorzeit aber, war diese Reaktion des Körpers überlebenswichtig!
Interessanterweise ist ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel ein typisches Anzeichen bei hochsensiblen Menschen. Warum das so ist, später in diesem Artikel.
Was löst Stress aus?
Es gibt verschieden Aspekte die Stress auslösen. Zum Beispiel physischen Stress für unseren Körper, wenn wir schwer Arbeiten oder Sport betreiben. Metabolischen Stress, wenn wir uns energiereich ernähren ohne den entsprechenden körperlichen Ausgleich. Und natürlich psychischen Stress wie Zeitdruck oder zwischenmenschliche Spannungen.
Im Wesentlichen gibt es drei Faktoren, welche uns ganz allgemein eine Situation bzw. ein Lebensphase als Stressig empfinden lassen.
- Dauerstress
- Eigene Ansprüche an sich selbst, aka. Perfektionismus
- Reizüberflutung
Richig abschalten fällt uns in der heutigen Zeit sehr schwer. Es muss immer etwas gehen. Der Druck am Arbeitsplatz ist enorm hoch. Aber auch soziale Verpflichtungen und die ganz eignen Bedürfnisse lassen den Druck nicht gerade nach unten sinken. Und geniessen wir einmal ein paar Tage Ferien, dann muss man ja auch etwas zu erzählen haben und nutzt leider oftmals auch diese Zeit nicht konsequent. Stille und Ruhe ist für viele Menschen unerträglich geworden, denn mit der einkehrenden Ruhe beginnt auch der eigene innere Dialog. Doch der Preis für diese andauernden Ablenkungen von uns selbst, ist eine Überlastung des Systems: Stress.
Die eigenen Ansprüche an uns selbst sind heute oft enorm. Alles muss perfekt sein, doch „perfection kills action“. Durch den Druck, der durch diesen Anspruch im Kopf entsteht, fangen wir viele Dinge gar nicht erst an. Der Selbstwert sinkt, wenn man den eigenen Anspruch nie erreichen kann.
Über die Reizüberflutung müssen hier wohl nicht allzu viele Worte verloren werden. Diese Tatsache sind wir uns alle mehr oder weniger bewusst.
Gerade hochsensible Menschen fühlen sich von vielen Reizen schneller überfordert, da die Filter der eigenen Sinneswahrnehmung geringer ausgeprägt sind.
Stress und Entscheidungen
Wir treffen bis zu 20.000 Entscheidungen pro Tag. Die meisten davon unbewusst. Hochsensible Menschen wahrscheinlich noch mehr, da die Sinnesreize weniger gefiltert werden.
Ein Reiz strömt über unsere Sinne auf uns ein und unser System entscheidet, ob es eine so wichtige Information ist, dass das Bewusstsein damit beschäftigt werden muss, oder ob es eine Routine dafür gibt, wie damit umzugehen ist.
Richtig, Routine macht eine Entscheidungen überflüssig.
Wenden wir diese Erkenntnis nun auf das Bogenschiessen an. Das Entscheidende beim Bogenschiessen ist, den Bewegungsablauf so einzutrainieren, dass er zu einer Routine wird. Dann kann unser Bewusstsein sich auf die Entscheidung für den richtigen Moment loszulassen konzentrieren. So haben wir für diese Entscheidung genug Willenskraft.
Entscheidungen kosten Willenskraft. Da steckt ja schon das Wort „Kraft“ mit drin. Unsere Körperkraft hängt von unseren Muskeln ab. Und unsere Muskeln können wir mit Übungen trainieren, damit sie stärker und leistungsfähiger werden.
Wie aber kann nun Bogenschiessen entspannend wirken?
Indem …
- du deine Umgebung dafür reizarmgestaltest – am besten in der Ruhe der Natur
- du auf eine leere Zielscheibeschiesst, denn der innere Erfolgsdruck, ist ein grosser Stressfaktor
- du übst deine innere Stimme zu hören, wann der richtige Moment zum Loslassengekommen ist
Bewegung senkt den Cortisol-Spiegel im Körper, solange es kein Ausdauersport ist. Die erhöhte Herzfrequenz und körperliche Belastung würde nämlich wieder Stress für unseren Körper bedeuten und können die Cortisol-Ausschüttung erhöhen. Die Farbe Grün in der Natur und die frische Luft wirken ebenfalls Stress entgegen. Laut einer Studie an der University of Essex in Colchester haben bereits fünf Minuten in einem grünen Umfeld eine positive Wirkung auf unsere Psyche.
Training und Entspannung
Aber Bogenschiessen ist nicht nur für die Entspannung gut. Durch das kontinuierliche Training, den richtigen Moment für die souveräne Entscheidung zum Loslassen zu spüren, trainieren wir unsere Willenskraft.
Wie einen Muskel stimulieren wir unser Gehrin mit jedem Pfeil, bei dem wir die Entscheidung über den Moment treffen, an dem wir ihn fliegen lassen. Das ist Eustress, also positiver Stress, der uns langfristig hilft.
Um diesen mentalen Aspekt überhaupt bewusst trainieren zu können, muss der Bewegungsablauf zu einer Routine geworden sein.
Ich verwende dazu ein Ritual, das die Schritte möglichst schnell und effektiv im Unterbewusstsein verankert. Das funktioniert ausgesprochen gut. Als Trainer bin ich dann gefordert genau auf die Schritte des Schützen zu achten und die richtigen Hilfestellungen zu geben.
Denn am Anfang, wenn wir das erste Mal einen Pfeil und Bogen in der Hand haben, gibt es noch keine neuronalen Verknüpfungen im Gehirn. Mit jeder Wiederholung schaffen wir aber neue Verknüpfungen. So entsteht erst ein Trampelpfad, dann eine Gehweg und schliesslich eine Datenautobahn im Gehirn. Und so wie wir auf solchen Wegen unterschiedlich schnell fahren können, können unsere Entscheidungen unterschiedlich schnell fallen.
Quelle: In Anlehnung an Bogenblog.de